Er warf einen Blick auf Miracle, der ihn immer noch aufmerksam, aber entspannt beobachtete. „Er hat einen klareren Instinkt als viele Menschen, die ich kenne“, stellte Castiel sachlich fest. Dann richtete sich sein Blick wieder auf Dean, als dieser meinte, er habe sich kein bisschen verändert. Castiel überlegte. Von außen betrachtet mochte das stimmen. Trenchcoat, Krawatte, das ewige leicht zerzauste Haar – ja, das alles war geblieben. Aber innen drin? Er war sich nicht mehr sicher, wie viel von dem, was er einmal war, überhaupt noch da war.
„Manches verändert sich nicht… weil es zu tief sitzt“, antwortete er schließlich. „Oder weil man nicht weiß, wie man es verändern sollte.“ Es war weder ein Widerspruch noch eine Bestätigung – nur eine Feststellung. Eine ehrliche.
Als Dean von seinem Leben erzählte – vom Haus, vom Job, von Jack – war Castiel still. Er hörte zu. Dean hatte das alles verdient. Ein Zuhause, Stabilität, eine Familie. Vielleicht sogar Frieden. Castiel wusste, wie selten solche Dinge geworden waren. Und dann sagte Dean diesen Satz: „Nur du hast noch gefehlt.“
Castiels Blick wurde weich. Für ihn war das ein seltenes Gefühl – fast so etwas wie… willkommen zu sein. Gewollt zu sein. Er wollte etwas sagen, doch die Worte blieben in seinem Hals stecken. Stattdessen nickte er nur leicht. Es war genug. Doch dann kamen die Fragen. Und Castiel wusste, dass sie kommen würden. Dean war kein Mensch, der Dinge ungesagt ließ. Und er war vor allem niemand, der sich mit Halbwahrheiten zufriedengab. Castiel holte tief Luft – eine überflüssige Geste, rein menschlich, aber inzwischen ein Automatismus, der ihm half, sich zu sammeln. „Ich bin weit gegangen“, begann er langsam. „Nicht im physischen Sinne, sondern… geistig. Ich habe Orte gesucht, an denen niemand nach mir fragt. Ich habe versucht, still zu sein. Nicht zu stören. Nicht zu beeinflussen.“ Er senkte den Blick.
„Die Fehler, von denen ich sprach, waren Entscheidungen, die ich getroffen habe… im Namen des Guten. Aber sie haben Schaden angerichtet. Ich dachte, wenn ich mich entferne – von allem, auch von dir – dann kann ich wenigstens nicht noch mehr falsch machen.“ Er machte eine kurze Pause, während sie gemeinsam losgingen, Schritt für Schritt in einem Tempo, das Castiel langsam übernahm. „Aber ich habe gemerkt, dass das keine Lösung war. Dass Einsamkeit nicht heilt. Sie konserviert nur den Schmerz. Ich habe viele Seelen gesehen. Verlorene, verletzte, verbitterte. Und ich habe irgendwann begriffen, dass meine Aufgabe nicht darin liegt, zu verschwinden, sondern da zu sein. Nicht perfekt. Nicht mit allen Antworten. Aber… ehrlich.“ Er sah zu Dean. „Also bin ich zurückgekehrt. Nicht, weil ich alles geklärt habe. Sondern weil ich... anfangen will. Wieder.“ .. Castiel war wie immer rätselhaft, für einen Menschen mit seinem einfachen und menschlichen verstand ergab wahrscheinlich alles keinen Sinn. Ein paar Schritte lang war er still. Dann: „Ich weiß, dass du mir nie die Tür zuschlagen würdest. Aber ich musste es mir wieder selbst glauben. Du hast recht – ich hätte es wissen müssen.“
Ein leiser Seufzer entwich ihm, fast unhörbar.
„Und was die Engelgeschichten angeht…“ – Castiel hob eine Braue – „...ich fühle mich irgendwie anders .. nicht mehr so, als wäre ich mit dem Himmel wirklich verbunden. Das erinnert mich an das Buch dieses mit diesem Pferd .. mit dem Horn auf der Stirn und dem roten Stier.“ Castiel war zurück. Nicht vollständig, nicht ohne Zweifel. Aber er war da. Und das zählte – zumindest für ihn – als Anfang. Und natürlich folgte er Dean.